Die Leichtigkeit der Leidenschaft

...oder warum die Fotografie bei mir gerade keine wirkliche Rolle (mehr) spielt...

Januar 2021 - Die Leidenschaft, die Leiden schafft...

Es war mal wieder soweit. Ich hatte meine Fotoausrüstung technisch soweit aufgerüstet, dass ich mal wieder alles machen konnte. Wie die Jahre zuvor war ich wieder fest davon überzeugt, das Nebengewerbe nun doch endlich weiter auszubauen. Von der Kamera über entsprechende Objektive, von der Drohne bis zur Software, alles war mal wieder parat, war erneuert, lag bereit, war komplett und ich musste nur noch die Pläne zur Auftragsgenerierung in die Wege leiten...

Aber dann war da dieser eine Samstag. Ich stand mit meiner Kamera in einer wundervollen Schneelandschaft und konnte sie nicht mehr (hoch) heben. Nicht einmal aus der Hüfte schießen. Nichts. Nada.
Keine zwei Meter weiter, hätte ich sie am liebsten auf den Boden gelegt. Aber dazu hätte ich den Gurt über den Kopf bringen müssen. Nicht nur jeder Schritt auf dem Heimweg zog sich hin, auch das Gewicht der Kamera verdoppelte sich mit jedem Meter den ich zurück legte.

Als ich schließlich zu Hause war, legte ich die Kamera ab. Und da wo ich sie ablegte, lag sie lange. Sehr lange. Wie ein Mahnmal lag sie an dieser Stelle, welches mir bewusst oder unbewusst täglich ins Auge stach, und ich nicht wusste, was los war.

...sich selbst etwas eingestehen, und Pläne aufgeben...

Sommer 2018. Im Juli und August war für 6 Wochen die Welt in Ordnung. Aufbruchstimmung. Der Gedanke um eine erweiterte Nebenberufliche Tätigkeit als Fotograf formte sich in eine konkrete und greifbare Idee. Endlich! Pläne wurden geschmiedet, ein Nebengwerbe wurde nun auch offiziell angemeldet, erste Aufträge in die Wege geleitet.

Dann klopfte die MS an die Türe, kam rein, und blieb...

Da es bis 2020 ja relativ gut lief, war es eigentlich keine Frage ob, sondern nur wann ich diese Pläne wieder aufnehmen werde. Sie lagen ja praktisch in der Schublade...

Nun musste ich mir in den ersten Monaten 2021 dann doch eingestehen, was ich genau genommen schon lange davor wusste: Es wird nicht klappen. Hauptberuf, Familie, MS und Nebengewerbe. Alles zusammen wird nicht funktionieren.

Es gab dann noch die ein oder andere Tour mit jener Ausrüstung. Noch einmal Versuchen. Noch einmal die Bestätigung holen wollen, dass es doch noch geht. Aber tatsächlich die Bestätigung bekommen, dass es halt doch nicht geht.

...und eigentlich bestätigten mir meine Gedanken nur noch eines: Unahbängig von der Ausrüstung, werde ich alles zusammen (aktuell) nicht wirklich unter einen Hut bringen. 

Angestachelt vom Frust dieser Erkenntniss wurde die gesamte Ausrüstung verkauft, und zurück blieb dann nur noch eine kleine RX100. Ein kleiner Funke loderte jedoch unbemerkt noch immer in dem Gedankenkarusssel. Neue Pläne drehten sich noch immer um den Gedanken des "Fotograf" sein. Mit anderer Ausrüstung, anderem Setup. Da wird bestimmt bald was gehen.

Dann kamen die ersten privaten Ereignisse, auf die ich mich gefreut habe, aber nicht teilnehmen konnte. Vom einfachen Wochenende bis zur Familienfeier. Der Körper konnte und wollte einfach nicht. Der Körper schaltete die Fatigue eben immer dann ein, wann er sie wohl auch am meisten brauchte.
Und relativ schnell kam dann schon wieder so ein Gedankenzug: Wie soll ich ein Nebengewerbe am Laufen halten, wenn ich schon aufpassen muss, dass normale Leben am Laufen zu halten...

Aufräumen und Loslassen

Was sich nun eigentlich über Jahre angebahnt, ich selbst mir aber nicht eingestanden hatte, endete nun in einer etwas weiter gefassten Aufräumaktion. Zu deren Ende stand nun auch das Abmelden des Nebengewerbes an, was aktuell auch irgendwie einen erreichten Nullpunkt zur Fotografie definiert.

Was hat das nun alles mit der Fotografie zu tun?

Wieder zurück in den Januar 2021

...irgendwie hat sie sich wieder angeschlichen: Die analoge Fotografie. Langsam, leise, fast heimlich und über Monate. Bis 2013 hatte ich schon einmal über Jahre hinweg analog fotografiert. So richtig losgelassen hat sie mich nie. Im Gegenteil. Irgend ein Film lag immer im Kühlschrank. Aus dieser Zeit verband ich eine unheimliche Leichtigkeit der Fotografie, denn im Grunde wurden die Rahmen so eng gesteckt, dass ich mich einfach nur auf das was ich fotografieren wollte, konzentrieren konnte.

Allerdings konnte ich mich in den letzten Jahren zur analogen Fotografie dann auch nicht wirklich wieder hingeben. Wenn ich ehrlich bin, war die analoge XG-M sogar bei dem ein oder anderen Urlaub dabei, lag dabei aber immer nur in der Tasche.

Dann kam im letzten Jahr mal wieder eine Minox 35 ins Haus. Klein, leicht, leise, perfekt unauffällig. Irgendwann zum Jahreswechsel '21 kam die Überlegung zu 12 Monate - 12 Filme. 36 Bilder pro Monat. Pro Monat 1 Film. Schwarz/Weiss, Caffenol. 

Unbewusste anstöße von aussen...

Ich bin mir nicht sicher, ob ich an Zufälle glauben soll, aber zurückblickend bin ich mir sicher, dass kann nur Zufall gewesen sein: Um mal wieder anderen Eindrücke und Sichtweisen zu bekommen, habe ich in den ersten Monaten dieses Jahres, einige "alte" Fotopodcasts nicht mehr aboniert, und bin neuen gefolgt.
Dabei waren unter anderem folgende zwei Podcasts:
Zum einen bin ich auf das "FoBloFon" aufmerksam geworden.
In der ersten Folge (?) stellte sich unter anderem Ivan Slunjki vor. Er fotografiert analog, und schafft mit seinem Pladoyer für die analoge Fotografie, die Grundlage für diesen Beitrag, inklusive Titel. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob er es so genannt hat, aber für mich hat er es genau so umschrieben.
Zum anderen habe ich seit langem mal wieder den "Unterbelichtet-Podcast" angehört. Da ich die Folge wahllos ausgesucht hatte, weiß ich die genaue Folge nicht mehr so genau. Aber ich meine, dass Chris (?) darin die analoge Fotografie ähnlich umschreibt, und auch  "vom Mut des unperfekten (Bildes)" spricht.
Bei beiden Folgen, bin ich seit langem mal wieder sichtlich zuhörend nickend dagesessen. Es hat jeweils noch ein paar Tage gedauert bis es mir so richtig klar wurde, was ich gehört hatte, und was es in meiner Gedankenwelt angestossen hatte. Ich habe mir die Folgen dann auch noch einmal angehört - es hat einfach gepasst.
Die Idee, die Überzeugung...

Hype oder Emotionen?

Irgendwann im Mai 2021 teilt Jörg Langer seine Erfahrung und Sichtweise mit der analogen Fotografie. Neben der unfassbar genialen Idee, und dem Beweggrund den er in seinem Artikel beschreibt, stellt er zum Schluss die Frage nach dem Antrieb und der Beweggründe seiner Leser.
Nun,
die Frage nach dem Hype traue ich mich aufgrund meiner analogen Vorgeschichte, für mich klar mit "nein" zu beantworten. 
Die viel beschworene Entschleunigung bis zur Entwicklung der Filme ist es bei mir auch nicht - da ich meist selbst entwickle, habe ich das pragmatisch, selbst in der Hand.
Die Entschleunigung beim Fotografieren kann ich für mich nur bedingt bestätigen. Ich kann auch analog dem "Knipsen" verfallen. Und dann ist es egal, ob ich die 6x4,5 oder die 35mm dabei habe...
Bei all den hier angedeuteten Gründen, spielen wohl Emotionen eine sehr große Rolle. Aber genau diese kann auch ich nur schlecht beschreiben und in Worte fassen. Es ist vielleicht einfach nicht das Technische der digitalen Fotografie. Es ist für mich irgendwie das Unperfekte im ganzen Ablauf.
Und eventuell liegt gerade in meiner Gedankenwelt, das Einfache der Thematik:
Kamera, Film, Blende, Zeit. An mehr muss ich zuerst einmal nicht denken...

Aber ist es das wirklich?

Ich fing an, statt einer digitalen Kamera, dauerhaft eine analoge Kamera dabei zu haben. Kleine, feine Point and Shoot's wurden gekauft. Kräftig mit Caffenol experimentiert, und der C41-Prozess in der Standentwicklung aufgegriffen.
Aber irgendwie fehlte immernoch die gesuchte und erhoffte Leichtigkeit.

Als ich im September '21 zu meiner Reha aufbrach, war alles dabei. Die kleine Analoge, die kleine digitale, ausreichend Filme, ein iPad zur Bildbearbeitung, genügend Akkus, Speicherkarten, ... Getrieben von dem selbst auferlegten Blick, immer und überall ein Motiv sehen zu müssen, und immer und überall die Möglichkeit zu haben es ablichten zu können, führten zu vollen Filmen, vollen Speicherkarten, aber auch zu steigender Ablehnung diese Bilder auch bearbeiten/entwickeln zu müssen...

Im endeffekt blieben schon nach wenigen Tagen beide Kameras im Schrank liegen, und für mich irgendwie mit Ironie behaftet: Sie führten mich zurück zum Smartphone. 

Eine neue Leichtigkeit der Leidenschaft

Im Grund war dies auch schon ein Schritt der sich angebahnt hatte. Auf meinen Reha-Wanderungen wurde mir dann auch (nochmals) bewusst, dass ich mir auch wieder angewöhnen muss, dass nicht jedes fitzelchen-Motiv auch abgelichtet werden muss. Das Gespür für "meine Motive" muss wieder geschaffen werden. Der Blick muss auch mal Ruhen. Die Technik muss mal ruhen, und grundsätzlich muss es für "den Moment" auch keine große Kamera sein.

Und so führt mich mein Smartphone mit einer s/w-App aktuell noch immer mit einer leicht grinsenden Leichtigkeit an meinen Motiven vorbei. Nicht alles muss festgehalten werden. Nicht muss nochmal bearbeitet werden.

Und jetzt?

Jetzt haben wir Juni '22. Ich habe soweit Abstand zur Fotografie an sich gefunden, wie er für mich nicht weiter sein könnte. Vom allumfassenden Hobby, über eine umfassende Nebengewerbliche Tätigkeit, zum Nullpunkt der eigenen Interesse. Fotopodcasts höre ich kaum noch. Fotothemen folge ich kaum noch. In meinem Fotoschrank stehen verlassen noch einige analoge Objektive, und die Filme im Kühlschrank stehen kurz vor einem Gefrierbrand.
Gedanken an Fototechnik stoßen in meiner Gedankenwelt an eine gewisse Unverständniss, die mich dann doch wieder grinsend auf das Smartphone blicken lassen, während ich mal wieder grob ausgerichtet, ein s/w-Bild einfange. 
Gedanken an die Fotografie an sich stoßen jedoch nicht auf eine Abneigung oder Unbehangen, eher auf ein "näh, jetzt nicht!".

Nach knappen 20 Jahren dauerhafter Fotografiebegleitung tut das gut.
Die Ruhe tut gut. Die Leichtigkeit tut gut...

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